Heute habe ich diesen Artikel auf Zeit-Online gelesen. Beim Lesen einiger Kommentare unter dem Interview mit vier Frauen aus deutschen Chefetagen wurde mir ganz schlecht. Ich kann mich mit einigen der Antworten der vier Frauen nicht identifizieren, mit den meisten Supermamas, die mir im Internet oder auf dem Spielplatz begegnen, aber auch nicht.
Ich wurde bereits als Baby “fremdbetreut” und war bis zum Schulanfang Vollzeit in einer Kita. Meine Eltern haben mit zwei (nicht immer einfachen) Kindern ihr Wirtschaftsstudium mit Bestnoten abgeschlossen, haben direkt im Anschluss Vollzeitstellen angenommen und sich seither kontinuierlich hochgearbeitet. Meine Mutter hat nebenbei promoviert und sich erkämpft, an einem Tag in der Woche Homeoffice machen zu können (denn ihre Arbeitsstelle war 150km entfernt). Meine Eltern sind zu Elternabenden gegangen und haben mehrmals Elternratsämter übernommen. Alles, was zu Hause anfiel, haben sie sich versucht zu teilen.
Sie hatten das große Glück, meine Großmutter in der Nähe zu haben, die dazu bereit war, im Haushalt zu helfen und uns nach dem Kindergarten/der Schule zu betreuen, wenn das mal nicht ging, sind wir zu Freunden mitgegangen. Sicher war das die beste und einfachste Lösung, im Grunde wäre es aber auch möglich gewesen, ein Kindermädchen zu engagieren.
In der konservativen Kleinstadt in Westdeutschland, in der ich aufgewachsen bin, waren meine Eltern absolute Exoten. Wenige Mütter in meinem Freundeskreis haben überhaupt gearbeitet, und wenn dann nur in “Minijobs” und oft auch erst, als die Kinder schon fast erwachsen waren.
Meine Mutter hat viele Blicke und Flüstereien ertragen, wenn sie den Müttern meiner Freundinnen begegnet ist. Weil ich als Kind manchmal nicht verstanden habe, warum sie arbeitet, während alle anderen Mütter zu Hause bleiben, habe ich mich natürlich auch öfters beschwert. Ihre Reaktion darauf bewundere ich bis heute sehr: Sie hat mir ganz ruhig erklärt, dass sie vor allem gerne arbeitet und damit nicht aufhören möchte. Dass es ihr Leid tut, wenn ich damit nicht einverstanden bin, aber dass sie hofft, dass ich es eines Tages verstehe. Auch wenn ich mir oft gewünscht habe, etwas mehr Zeit mit meinen Eltern verbringen zu können, so war die Zeit die wir hatten sehr kostbar – und wir haben sie genossen. Natürlich habe ich meinen Vater genauso vermisst wie meine Mutter, wenn er den ganzen Tag arbeiten war. Nichtarbeitende Väter gab es aber nicht, deswegen schien das ganz normal zu sein und ich stellte es deshalb auch nicht in Frage.
Wie viele andere Eltern meiner Klassenkameraden auch, haben sich meine Eltern als ich Teenager war getrennt und sich wenige Jahre später scheiden lassen. Diese Zeit war sehr schwer für mich, auch wenn ich aus heutiger Sicht der Meinung bin, dass meine Eltern die Sache untereinander und auch uns gegenüber relativ human über die Bühne gebracht haben (wenn auch sicher nicht perfekt). Aber was ich vor allem in Erinnerung behalten habe, das war die relative Augenhöhe, auf der die Trennung stattgefunden hat. Bei allen Verletzungen, die sich die beiden zugefügt hatten, galt die Gleichberechtigung bis hier. Meine Mutter war nicht finanziell abhängig von meinem Vater, sie hatte einen sicheren Job und ein gutes Einkommen. Die Betreuung war bereits geregelt, und glücklicherweise waren wir ja auch aus dem Gröbsten bereits heraus. Die beiden haben sich getrennt, weil sie nicht mehr zusammen sein wollten. Sie sind nicht zusammen geblieben, weil es nicht anders ging (dass das in vielen Fällen mit “klassischer Rollenverteilung” damals anders lief, ist mir erst später klar geworden). Zwei Tage und Nächte in der Woche haben wir fortan bei meinem Vater verbracht, wir wurden damals auch gefragt, ob wir bei ihm leben wollten. Während die Trennungszeit mir sehr zugesetzt hatte, war die Zeit danach eigentlich sehr schön. Plötzlich hatten wir exklusive Zeiten mit beiden Elternteilen, und ich merkte auch wie sich die Spannung der letzten Jahre zwischen den beiden langsam abbaute. Sie hatten nun Zeit mit uns, beide, und gleichzeitig abgesprochene und verbindliche Zeiten für sich, ohne Kinder, ohne Verpflichtungen. Die hatten sie vorher nie gehabt, die beiden hatten gerade Abitur gemacht, als meine ältere Schwester geboren wurde. Als beide ihr Studium anfingen, war meine Schwester zwei Monate alt, weniger als zwei Jahre später kam ich bereits zur Welt.
Wichtiger als die Debatte über die Länge oder die Aufteilung der Elternzeit, oder darüber mit wie vielen Arbeitsstunden Frauen oder Männer nach der Geburt wieder in den Job einsteigen, finde ich die Frage nach der Autonomie. Ich bin Scheidungskind und ich bin überzeugt davon, dass Beziehungen scheitern können. Obwohl ich schon daran glaube, dass es die wahre Liebe gibt, weiß ich bereits aus eigener Erfahrung, dass sich Menschen und Lebensentwürfe verändern, dass es für nichts im Leben eine Garantie gibt, auch nicht mit Ring am Finger oder noch so wundervollen Kindern. Mir ist es wichtig zu wissen, dass ich gehen kann, bzw. auch allein bestehen kann. Damit meine ich keine Hintertür, die ich mir offen halte, weil ich keine Verpflichtungen eingehen will. Bullshit. Ich weiß einfach, dass niemand perfekt ist, dass Dinge geschehen, oder dass man aufhört sich zu lieben, dass man sich verletzt, und auch dass einem etwas zustoßen kann. Ich weiß, dass ich notfalls auch alleine klarkomme. Sicher wäre das anstrengend, anders, schwieriger, aber es wäre möglich. Dafür arbeite ich, fast jeden Tag, seit der Geburt meines Sohnes (und übrigens auch schon davor).
Ich bin zur Schule gegangen, habe die Foto-AG besucht, sechs Jahre lang Rudern als Leistungssport gemacht, war ein Jahr in Amerika, habe ein sehr gutes Abitur gemacht und Praktika absolviert, Nebenjobs gehabt, mein Studium abgeschlossen, ein Meisterstudium absolviert, und ich habe seit ich mich vor fast genau fünf Jahren als Fotografin selbstständig gemacht habe, regelmäßig teils bis zu 60 (und mehr) Stunden die Woche gearbeitet, und das gerade anfangs häufig noch zu Hungerlöhnen, für die ich mich heute manchmal schäme. Ich habe das nicht getan, um mich mit dem Eintreten in den “Mutterkreis” zur Ruhe zu setzen und mich ab jetzt nur noch am Windelinhalt oder an den motorischen und geistigen Fortschritten meines Sohnes zu ergötzen. Ich weiß, dass das Elternsein (nicht nur das Muttersein!) für sich allein ein Vollzeitjob ist, und trotzdem war für mich immer klar, dass ich niemals (es stand wirklich NIE überhaupt zur Debatte!) aufhören würde zu arbeiten, genau wie dieser Gedanke für meinen Freund (und wohl die allermeisten Männer in diesem Land) NIE zur Debatte stand. Ich habe auf einen Teil meines ohnehin recht geringen Elterngelds verzichtet, weil ich weiter arbeiten wollte, auch in der Elternzeit. Nicht nur, weil ich meinen Job sehr liebe, sondern auch, weil ich wusste, dass es verdammt schwer sein würde, nach mehreren Monaten exklusiver Elternzeit ohne Aufträge und Kontakte dazustehen. An Auftraggeber habe ich kommuniziert, ich habe jetzt ein Baby, aber ich existiere noch, und wenn ich jemanden finde der auf mein Kind aufpasst, oder wenn ich es mitbringen kann, dann arbeite ich für euch.
Ich werfe es niemandem vor, für sein Kind immer da sein zu wollen (und ich UND mein Freund zählen uns definitiv zu diesen Menschen, obwohl dieser Wunsch für uns sehr viel Interpretationsspielraum lässt) und ich weiß auch, dass das absolut beknackte Ehegatten-Splitting in Deutschland dazu führt, dass es sich besonders bei nicht so gut bezahlten Stellen (die es meinem Dunstkreis leider zu Hauf gibt, bei Männern und bei Frauen) für den schlechterverdienenden Part häufig finanziell einfach gar nicht mehr lohnt, überhaupt bzw. mehr als ein paar Stunden pro Woche zu arbeiten. Die für mich brennende Frage dabei ist aber die: Was wäre wenn die wunderbare Familienseifenblase platzt? Nach der Scheidung hilft kein Splitting mehr beim Steuern sparen, nach dem Tod eines Partners endet es nach einem Jahr abrupt (wobei in der Realität kaum ein Elternpaar verheiratet ist, das ich in Berlin kenne, was die Situation ja fast noch brisanter macht). Nicht in jeder Konstellation muss Unterhalt gezahlt werden und selbst wenn, möchte ich wirklich von einem Menschen, den ich nicht mehr liebe oder der mich nicht mehr liebt, vielleicht ein Leben lang abhängig sein? Für mich ist das Wichtigste, neben Selbstverwirklichung und Erfüllung im Job UND in der Familie, dass ich die grundsätzliche Möglichkeit habe: die Möglichkeit zu gehen, zu bleiben, abzuwägen, mich zu wehren, Erfüllung zu finden, selbstbestimmt zu sein. In dem Moment wo ich nicht arbeite, weil ich “immer” für meine Kinder da sein will, gebe ich die Zügel aus der Hand. Ich begebe mich in eine Abhängigkeit, die meinem Bildungsstand, der Mühe, die ich in meine Ausbildung und Karriere gesteckt habe, meiner Leidenschaft für meinen Job und – ganz banal gesagt – der heutigen Zeit nicht mehr entspricht.
Ich sehe mich als wahnsinnig privilegiert an, weil meine Eltern mir in dieser Hinsicht unglaublich tolle Vorbilder waren. Heute weiß ich, dass meine Mutter manchmal heulend vor meiner abgeschlossenen Zimmertür saß, während ich als Kind drinnen gebrüllt habe, dass ich wünschte sie sei eine (oder meine?) Hausfrau. Dass mein Vater gelitten hat wie ein Hund, weil wir als Teenager nicht immer Lust hatten, die 16km in seine neue Wohnung auf uns zu nehmen, um die vereinbarten Tage mit ihm zu verbringen und durch die Pubertät für ihn immer unzugänglicher wurden. Ich habe eine Ahnung davon, wie schwierig es war, mit Kindern ein Studium zu beginnen und abzuschließen, zu promovieren, zu arbeiten, und wichtige Meilensteine nicht immer mitzuerleben, sondern teils nur erzählt zu bekommen.
Als ich als erste in meinem engeren Freundeskreis, bestehend vor allem aus Schul- und Studienfreunden, schwanger wurde, war ich eine große Attraktion. Einige (frühere) Vollzeitmamas meiner Freunde haben mich in der Schwangerschaft beiseite genommen. Die meisten dieser Mütter sagten mir, dass sie es unglaublich bereuen, ganz oder zumindest so lange aus dem Job ausgestiegen zu sein. Natürlich, so sagten die meisten, war es zunächst wunderschön, für die Kinder da sein zu können und sich um alles zu kümmern. Viele empfanden es auch als Erfüllung, dem Mann den Rücken freihalten zu können, oder als Luxus, nicht arbeiten zu “müssen”. Die meisten haben nie wieder richtig angefangen zu arbeiten, auch wenn sie es vielleicht wollten. Die Stelle oder der ganze Beruf existierten nicht mehr, oder ihre Arbeitskraft war einfach nach einer so langen Auszeit nicht mehr gefragt. Einige von ihnen sind schon lange nicht mehr glücklich in ihren Partnerschaften, sie hatten jedoch nicht die Möglichkeit zu gehen. Andere wurden von ihren Partnern verlassen, einfach so. Oder sie wurden krank. Manche mussten nach der Kindererziehung einen kranken Partner pflegen oder standen nach einem Todesfall allein da. Zwei mussten den Verlust eines Kindes verkraften und bei einer zerbrach dadurch die Partnerschaft. Und fast alle standen mit dem Auszug der erwachsenen Kinder vor einer riesengroßen Leere. Daneben stehen ein paar tolle und starke Frauen, die Glück hatten, deren Partnerschaft gehalten hat und die keine nennenswerten Schicksalsschläge verkraften mussten, die glücklich sind, mit ihrer Entscheidung. Und auch die, die trotz einer Trennung wieder Fuß gefasst haben und sich allein durchgeschlagen haben. Aber diese Frauen sind eher die Ausnahme als die Regel. Und nahezu alle Mütter die ich kenne, unabhängig davon, wie es für sie ausgegangen ist, wünschen sich für ihre eigenen Töchter (und Söhne!) etwas anderes. Interessanterweise wurde mir auch schon mehrfach von (früheren) Vollzeitmüttern meiner Freundinnen gesagt, wie unglaublich sie meine Mutter damals bewundert haben, für ihr Selbstbewusstsein, ihre Stärke, ihre Selbstbestimmtheit. Als ich ihr das erzählte, hatte meine Mutter Tränen in den Augen. Denn diese Solidaritätsbekundungen hätte sie damals wohl gut gebrauchen können. Als wir klein waren, zeigten die meisten keine Bewunderung, sondern Unverständnis.
Ich bin für Wahlfreiheit und ich kann jede Entscheidung, die die eigene Interpretation der Vereinbarkeit von Elternsein und Beruf betrifft, akzeptieren. Ich schaue nicht auf Frauen (und auch nicht auf Männer!) herab, die “für” ihre Familie zu Hause bleiben, auch wenn ich es nicht nachvollziehen kann und auch nicht für das “Beste” für die Kinder halte, im Gegenteil. Es gibt außerdem Konstellationen, die durch äußere Umstände entstehen, und die sich beim besten Willen nicht aus eigener Kraft ändern lassen. Und es gibt sicherlich Berufe, die sich mit Kindern schwer vereinbaren lassen. Aber dennoch glaube ich, dass es möglich sein muss, zu arbeiten und Kinder zu haben. Obwohl ich selbst tagtäglich in dieser Sache an meine Grenzen stoße (ebenso wie mein Freund, jawohl), glaube ich, dass kein Gesetz und keine monetäre Leistung das für uns leisten kann, sondern dass wir es irgendwie hinkriegen müssen, in Eigenverantwortung, weil es uns betrifft, und ja, die Frauen erst recht.
Ich liebe meine Eltern über alles, und ich schätze sie noch ein bisschen mehr, seit ich selbst ein Kind habe. Ich bewundere sie für ihren Weg und ihre Entscheidungen und bin ihnen unglaublich dankbar dafür, dass sie mir in einer Zeit, in der darüber vorrangig die Nase gerümpft wurde, ein Modell vorgelebt haben, dass mir noch heute, drei Jahrzehnte später, supermodern und vorbildlich erscheint. Meine Schwester und ich sind beide gut geraten und sind selbstbewusste und, jede auf ihre Weise, erfolgreiche Frauen geworden. Ich danke meiner Mutter, dass sie meinen Klagen als Kind nicht nachgegeben hat, sondern ihren Weg weitergegangen ist, und ich mir ihrer Liebe und Zuneigung dennoch immer sicher sein konnte. Ich danke meinem Vater, dass auch er präsent war und Kindererziehung und Haushalt nicht wie die meisten seiner Kollegen auf meine Mutter abgewälzt hat. Menschen sind nicht perfekt und die Dinge laufen selten wie geplant. Und das ist die größte Lehre, die mir mit auf den Weg gegeben wurde, auch schon bevor sich die Trennung meiner Eltern abzeichnete: Sich niemals völlig abhängig von einem anderen Menschen machen. Das stand für meine Mutter, und es steht heute für mich, völlig außer Frage.
Vielleicht ist das die Essenz aus der Debatte um die Working Mums. Es geht doch gar nicht um die Entscheidung zwischen “Glucke” oder “Rabenmutter”, sondern es geht darum, selbstbestimmt zu bleiben und sich nicht für die Familie aufzugeben, denn: Achtung, Familie ist ein verdammt fragiles Konstrukt. Wie man seine Autonomie wahrt, das kann jeder für sich selbst entscheiden. Ob in der Chefetage, mit dem eigenen Onlineshop, als Selbstständige oder in einem stinknormalen Job. Und erst Recht sollte man sich nicht dafür rechtfertigen müssen, bei niemandem. So.
(Das tolle Bild, das diesen Artikel ziert, wurde vor fast genau einem Jahr in Istanbul von meiner wunderbaren Freundin und sehr talentierten Fotografin Rosie Ubacher geschossen. Danke, Rosie!)
Ich mag die Offenheit in deinem Text und die Reflexion deiner eigenen Kindheit bezogen auf dein Lebensmodell. Ich habe mich häufig über das Thema ‘Working Mums’ unterhalten und Stelle auch hier fest, dass diese Entscheidungen von Menschen (Eltern/Müttern) immer noch irgendwie nach Rechtfertigungen klingen. Und das ist schade, weil sich einfach niemand zu rechtfertigen hat. Es gibt so viele Biographien, keine davon sollte in besser oder schlechter bewertet werden, denn das ist am Ende doch ziemlich anmaßend. Wer kann das schon beurteilen, außer die Person, die es betrifft? Und selbst daraus lassen sich keine genormten Lebenswege erstellen.
Wichtiger finde ich Akzeptanz gegenüber jeder Entscheidung, wie auch immer die für die jeweils betroffene Person in der Familie aussieht. Ich weiß nicht ob der Satz einfach unglücklich und aus einer Wut heraus entstanden ist, aber ich lese ihn tatsächlich sehr wertend und wenig akzeptierend.
‘Ich habe das nicht getan, um mich mit dem Eintreten in den “Mutterkreis” zur Ruhe zu setzen und mich ab jetzt nur noch am Windelinhalt oder an den motorischen und geistigen Fortschritten meines Sohnes zu ergötzen.’
Ich danke dir für diesen Einblick. Du machst, was du liebst und bist mit deinen Entscheidungen im Reinen. Das ist eine wunderbare Inspiration.
Liebe Nora, ich mag dein Blog sehr und freue mich, dass du hier kommentierst.
Ich habe nicht das Gefühl mich zu rechtfertigen, mit dem Text ging es mir vor allem darum, aufzuzeigen, dass das, was heute viele von uns nicht zu erreichen vermögen (oder sich nicht zutrauen) bereits vor 30 Jahren möglich war. Es war nicht einfach, es war anstrengend und sicher auch oft unbequem, aber es ging. Zudem sehe ich es auch als gar kein doofes Modell an, während des Studiums Kinder zu bekommen. In der Studienzeit ist man viel flexibler, und beim Berufseinstieg sind die Kinder bestenfalls bereits aus dem Gröbsten heraus. Es kommt aber eben auch auf die Prioritäten an. Ich wusste, dass ich wahrscheinlich keine klassische Berufslaufbahn einschlagen würde, insofern hat es für mich keinen Sinn gemacht, so früh Kinder zu bekommen. Für superwichtig halte ich aber auch, dass man flexibel bleibt, in seinen Erwartungen und sich ggf. der Situation anpasst. Zum Beispiel durch Teilzeit des Partners oder Teilzeit von beiden, Überdenken der Jobwünsche und eventuell eben auch Selbstständigkeit. Eine Bekannte häkelt Mützen und verkauft sie über einen Onlineshop, du nähst Rucksäcke (was ich super finde!).
Ich wollte nicht anmaßend klingen und wie ich auch geschrieben habe, ich schaue auf niemanden herab, der andere Entscheidungen getroffen hat. Jedoch finde ich es wichtig, gerade in der Hormonwolke der ersten Monate und Jahre, Müttern vor Augen zu halten, dass es, auch wenn alles rosarot ist, Sinn macht zu versuchen, so schnell wie möglich wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Detaillierte Ausführungen dazu findest du im Text. Ich kenne sehr viele Mütter, die fast zu 100% von den Vätern ihrer Kinder abhängig sind, vor allem, aber nicht nur in den ersten Jahren. Ich sage nicht: geh arbeiten, sonst bist du nichts wert, sondern ich sage, überlege dir, was du machen kannst, um deine Autonomie zu wahren. Denn es gibt keine Garantie dafür, dass alles rosarot bleibt und es wäre tragisch, wenn du unglücklich wirst, weil du die Möglichkeit zu gehen nicht hast. Das ist ein riesiger Unterschied.
Der Satz den du hier heraus gesucht hast, liest sich für sich allein stehend vielleicht wertend und wenig akzeptierend. Ich verallgemeinere aber nicht, sondern ich beziehe mich auf meine eigene Lebenssituation. Ich habe habe so viel gemacht, Schule, Studium, Selbstständigkeit, und dann bin ich (ungeplant) schwanger geworden. Mein Mitbewohner hat damals ernsthaft zu mir gesagt “Ach krass, dann wirst du jetzt also Hausfrau!”. Darüber habe ich mich nicht geärgert weil ich der Meinung bin das sei nichts wert, sondern einfach, weil ich das alles nicht gemacht habe, um es mit einem Kind dann aufzuhören. Ich habe mir das Muttersein im Vorfeld tatsächlich einfacher vorgestellt (wie wohl die allermeisten), aber für mich war und ist bis heute klar, dass ein Kind meinen Lebensentwurf erweitern und ggf. korrigieren, aber niemals gänzlich umschmeißen würde. Auch deshalb, weil es mir meine Eltern sehr authentisch und bewundernswert vorgelebt haben.
Wow, was für ein toller, selbstbewusster und Mut machender Artikel.
Ich bin auch Mama eines einjährigen Sohnes und habe mein Studium pünktlich kurz vor der Geburt beendet. Ich habe zwar schon jahrelang während meines Studiums gearbeitet, doch scheint der Berufseinstieg mit Kind nicht so einfach, wie ich dachte. Ich wurde mittlerweile schon mehrfach aufgrund meines Kindes abgelehnt, was ich echt traurig finde. Ich bin qualifiziert und habe Lust, zu arbeiten, aber jungen Müttern scheinen nur wenige Arbeitgeber eine Chance zu geben. Bei Männern wiederum sieht das etwas anders aus. Junge Väter werden mit Kusshänden aufgenommen. Warum auch immer… In meiner Beziehung (und auch bei vielen befreundeten Paaren ist das so) teilen wir uns alle Aufgaben, Haushalt, Kind, … Daher finde ich es nicht gerade fortschrittlich, nur Frauen auszuschließen.
Das sind allerdings nur meine persönlichen Erfahrungen der letzten 7 Monate. Es gibt sicherlich auch familienfreundliche Arbeitgeber. Und vor selbstständigen Eltern ziehe ich erst Recht den Hut.
Danke, liebe Carolin!
Carolin
Ich bin in einer sehr ähnlichen Situation, Carolin, und kann dir nur zustimmen: so toll ich Carolins Artikel und auch die darin enthaltenen Beispiele finde, stoße ich in meinem Umfeld eher auf Widersprüche.
Meine Tochter kam kurz vor meinem Uniabschluss; den durch Praktika und Nebenjobs erarbeiteten Jobeinstieg in einer anderen Stadt konnte ich daher nicht annehmen und nach der Elternzeit gab es die Stelle nicht mehr. Nun arbeite ich Teilzeit (27h) in einer anspruchslosen, unterbezahlten Position und merke immer wieder: wenn ich aus meinem Studium und meiner bisherigen Berufserfahrung etwas machen möchte, muss ich Vollzeit arbeiten.
Nur wer sich schon etabliert hat, erhält die Möglichkeit, mit reduzierten Stunden weiterzumachen. Wer als Berufsanfänger eine sinnvolle Tätigkeit mit 35 Stunden sucht, die erlaubt, das anderthalb Jahre alte Kind nicht länger als 8 Stunden in der Krippe zu lassen, hat verloren: außer Empfangsdame und Assistenz der Geschäftsführung scheint es nichts zu geben.
Und so ernährt uns zum größten Teil der Vater, der die Zeit der Schwangerschaft nutzen konnte, um sich Vollzeit einzuarbeiten und nun, nach seiner Hälfte der Elternzeit, unser Hauptverdiener ist. Willkommen in einem Rollenmodell, das keiner der Beteiligten möchte, und das trotzdem unabänderlich scheint.
Liebe Carolin (die Dritte!),
ich kann mir sehr gut vorstellen wie beschissen es sich anfühlt und ich habe im Bekanntenkreis eine Mutter der es ähnlich geht. Sie hatte zwar bereits vor der Elternzeit mehrere Jobs, kann nun in ihren letzten jedoch nicht zurück und es sieht so aus als würde es sehr schwer werden, nun einen neuen Job zu finden.
Ich habe natürlich keine Lösung, möchte dir aber Mut zusprechen, es weiterzuversuchen. Gerade wenn dein Freund sich in seinem Job etabliert hat und gut bezahlt wird, könntet ihr ja mal darüber nachdenken, ob er vielleicht seine Stunden reduzieren kann und du dafür erst einmal etwas höher gehen kannst, bzw. bei Vorstellungsgesprächen sagen kannst, dass er z.B. das Kind aus der Kita holt.
Selbst wenn das erst einmal das Büdget etwas reduzieren würde, glaube ich schon, dass es sehr sinnvoll wäre, gerade wenn du noch nicht so viel Berufserfahrung hast. Durch deine Teilzeit reduziert sich ja auch das Elterngeld, falls ihr evtl. noch ein zweites Kind wollt.
Liebe Grüße und alles Gute!
Caro
Danke, Caro, für deine warmen Worte! Ich glaube, etwas Frust stammt auch daher, dass wir das zweite Kind im kommenden Jahr zu kriegen hoffen, so dass meine unterfordernde Teilzeitstelle wenigstens während einer potentiel anstrengenden Schwangerschaft ihr Gutes hat – heißt nur leider auch, dass mein “richtiger” Jobeinstieg frühstens 2016 erfolgen wird. Ich bin einfach erstaunt, wie schnell man in der Teilzeit-Mama-Falle landet und wie langwierig es sein wird, sich da raus zu arbeiten.
Dann probiert es doch mal mit der 50/50 Aufteilung der Elternzeit beim nächsten Kind?
Ja, das werden wir vermutlich wie beim ersten Mal auch wieder tun. Inklusive erneutem Nervenkitzel: schaffe ich es diesmal, bis zum Tauschzeitpunkt unserer Aufgaben einen ausreichend gut bezahlten Job zu finden?
Dafür alles erdenklich Gute! Tschakka!
Leider kenne ich deine Situation auch aus vielen Erzählungen. Ich kann nur sagen: versuch es weiter! Such gezielt nach familienfreundlichen Arbeitgebern und vernetze dich mit anderen, die in einer ähnlichen Situation sind. Es gibt inzwischen auch “Jobsharing”-Angebote, vielleicht wäre das eine Möglichkeit?!
Grundsätzlich sehe ich es aber auch so: Dein Kind hat zunächst einmal nichts im Lebenslauf zu suchen. Selbst wenn sie es eigentlich nicht dürfen, so wird natürlich ausgesiebt. Wenn du im Vorstellungsgespräch danach gefragt wirst, kannst du ja auch sagen, dass du dir die Aufgaben 50/50 mit deinem Freund teilst und z.B. auch, dass dein Freund evtl. in Teilzeit gehen könnte (wenn er es denn könnte, ich glaube er kann!). Ich finde es auch wichtig, dann ggf. mal “loslassen” zu können und der Freund bleibt zu Hause, wenn das Kind krank ist. Bei uns bietet sich das allein deswegen in der Tendenz an, weil mein Freund auch wenn er zu Hause bleibt sein Geld bekommt, ich hingegen bekomme es nur, wenn ich meine Sachen liefere.
Danke für die Idee mit dem Jobsharing und auch mit dem Vernetzen. Das versuche ich gerade mal intensiver. Und da mein Freund studiert, sind wir eigentlich auf mein Einkommen angewiesen. Klar ist er auch flexibel, keine Frage, aber ich möchte auch, dass er voran kommt und sein Studium zuende bringen kann. Und zu dem Lebenslauf…ich hatte ein Bewerbungstraining an der Humboldt Universität, wobei mir dazu geraten wurde, mein Kind aus dem Lebenslauf zu streichen. Gesagt, getan. Ich hatte ein Vorstellungsgespräch und wurde zum Probearbeiten eingeladen. Weil ich eine ehrliche Basis für mich und meine potenzielle Chefin schaffen wollte, erzählte ich ihr von meinem Kind. Und von da an hörte ich nichts mehr von ihr. Ich versuchte eine Woche lang sie zu erreichen, erfolglos. Ich schrieb ihr eine Email, um mir wenigstens noch den Frust von der Seele zu schreiben, und sie antwortete mir, ich solle doch zukünftig wenigstens von Anfang an ehrlich sein. Also steht mein Kind nun wieder im Lebenslauf. So spreche ich hoffentlich die familienfreundlichen Arbeitgeber an…
Krass. Ich hoffe du hast ihr ordentlich die Meinung gegeigt. :(
Das hoffe ich auch.
Und zu der Teilzeit-Debatte: Ich bin ja der festen Überzeugung, dass die meisten Mütter die gleichen anfallenden Aufgaben (in Unternehmen oder auch selbstständig) in weniger Zeit ebenso gut erfüllen können, ohne Vollzeit zu arbeiten. Sprich, wenn ich eine 30-Stunden-Stelle annehmen würde, könnte ich mir sehr gut vorstellen, das Gleiche zu schaffen, wie ein(e) andere(r) Mitarbeiter(in) ohne Kind. Wenn ich etwas schaffen muss, klappt das seit ich ein Kind habe viel besser! Ich arbeite viel effektiver und weiß, dass meine Zeit begrenzt ist.
Und du hast Recht. Wir sind unglaublich froh, einen Kitaplatz bekommen zu haben (nachdem wir auf ca. 20 Wartelisten standen und ich schon bangte, es könne erst nächstes Jahr etwas werden). Zwar darf unser Sohn im ersten Jahr nur bis 15:30 Uhr dort bleiben (was einen Vollzeitjob schon mal ausschließt), das finde ich für ein- bis zweijährige Kinder aber auch in Ordnung. Danach darf er dann bis 17 Uhr bleiben. Auch das ist schwierig für zwei voll arbeitende Elternteile. Zumindest hier in Berlin und wenn man nicht gleich um die Ecke von der Kita arbeitet. Also muss zwangsläufig einer zurückstecken…
Aber eben, du sagst es, warum nicht auch der Papa? Oder beide?
Ja genau! Warum denn eigentlich nicht der Papa? Gerade wenn er offenbar nicht mit Vorurteilen an der Jobfront zu kämpfen und sich zudem schon einigermaßen etabliert hat? Ganz ehrlich: bei den meisten Männern die es einfach machen, kommt es im Büro und bei den Kollegen sehr gut an!
Respekt dafür für den Kurs den du fährst. Ich traue mich da nicht so. Habe wahrscheinlich manchmal ein zu großes Verantwortungsgefühl gegenüber meine Kinder. Doch habe ich mich entschieden mich weiter zu profilieren, durch auch mich weiter zu bilden und neben meine Arbeit mich selbständig zu machen. Leider muss ich auch zu geben dass der Arbeit den ich liebe wenig Familienfreundlich ist und ich dadurch auch Gewissensbeschwerde kriegen. Kitafeier an mich vorbei gehen lassen muss da der Arbeit es nicht zulässt dass ich anwesend sein kann. Ein Teil denkt dann dass ich mich verantworten muss gegenüber anderer Mutter aber vor allem muss ich mich mit dem Gefühl auseinander setzen dass ich gerne Anteil habe möchte an das Leben meine Kinder dass die leben wenn ich nicht da bin. Glücklich kann mein Mann gut einspringen und fühlt dieses Loch und die Kinder haben genau so viel Spaß daran mit mein Mann die Feier zu besuchen.
So gesagt soll ich mal mehr mein Arbeit genießen und dadurch auch eine gute Mutter sein.
Liebe Cornelie, es ist natürlich auch so: ich arbeite von zu Hause aus und habe keine festen Arbeitszeiten. Dafür endet meine Arbeit aber auch nie – es gibt immer etwas zu tun, und ich arbeite in Deadline-Zeiten oft noch bis sehr spät in die Nacht hinein, nachdem A. im Bett ist. Zudem musste ich natürlich meine Ausrichtung z.T. auch ein wenig an die neue Situation anpassen. Bis ich Mutter wurde bin ich ziemlich wild durch die Gegend gereist und habe oft wochenlang in anderen Ländern gearbeitet, war den ganzen Tag unterwegs. Mit unserer derzeitigen Lebenssituation (nicht nur durchs Kind, sondern auch durch den Job meines Freundes) ist das so ohne Weiteres nicht mehr möglich. Obwohl ich mir bewusst bin, dass die Selbstständigkeit viele Vorteile hat, habe ich aber auch kein festes Einkommen und es ist unmöglich, wenn es einem mal nicht so gut geht, einfach nur “Dienst nach Vorschrift” zu machen. Ich habe aber überhaupt kein schlechtes Gewissen, wenn ich es nicht zu einer Kinderveranstaltung schaffe, so lange ich weiß, dass mein Freund dabei ist. Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass es bei der Tagesmutter, in der Kita und auch bei anderen Eltern sehr gut ankommt, wenn der Vater mehr Präsenz bei solchen Veranstaltungen etc. zeigt, und nicht nur oder vorrangig die Mutter. Mein Freund hat seit ein paar Monaten seine Arbeitszeit reduziert, neben anderen Gründen auch, um mir zu ermöglichen, mich mit weniger Kompromissen um meine Arbeit zu kümmern. Dafür bin ich ihm unglaublich dankbar.
Hallo,
ich bin über fünfzig, geschieden und habe fünf fast erwachsene Kinder. Sie sprechen mir aus der Seele! Der wichtigste Baustein im Leben ist doch meine eigene Person. Wie unglaubwürdig wird die Erziehung meiner Kinder, wie verlogen meine Partnerschaft, wenn ich mir nicht selber treu bleibe. Trotz allem kann ich endlos lieben, aber ich muss nicht verzichten.
Wie immer ich mich entscheide, ob zuhause als Hausfrau oder im Job, es muss eine authentische Entscheidung sein. Danke für offenen Worte!
Danke! Ich finde es vor allem anmaßend, zu sagen dass (vollzeit-) arbeitende Mütter egoistisch seien, oder dass sie nicht zum Wohl des Kindes entscheiden (siehe die Kommentare bei Zeit Online). Was ist denn mit den Vätern?! Denen wirft niemand vor, dass sie Vollzeit arbeiten, obwohl ich großer Fan eines Modells sind, in dem beide Eltern ihre Arbeitszeit etwas reduzieren und sich die zusätzliche Zeit mit den Kindern aufteilen. Ich glaube nicht daran, dass Kinder dadurch glücklich werden, wenn man sich ausschließlich um ihre Bedürfnisse kümmert und nicht um die eigenen. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass ich mich viel mehr auf meinen Sohn einlassen und mich fallenlassen kann, wenn ich einen produktiven Arbeitstag hatte und auch außerhalb der Familie Anerkennung erfahre.
Vielen Dank für den wunderbaren Artikel. Auch wenn ich eine Mutter hatte, die lediglich in einem (heute würde man sagen) Mini-Job gearbeitet hat, so hat sie mir immer nahe gebracht, mein eigenes Geld zu verdienen. Mich niemals von einem Mann abhängig zu machen. Immer ein eigenes Konto zu pflegen.
Nun bin ich aktuell in Elternzeit und wie es danach weitergeht, steht noch nicht fest. Ich genieße die Zeit zu Hause, freue mich aber auch schon darauf, einen hoffentlich neu ausgerichteten Weg danach zu finden.
Ich muss allerdings auch sagen, dass ich in meinem Umfeld nicht eine einzige Frau kenne, die aufgehört hat zu arbeiten. Nach einem bis 1,5 Jahren sind alle ausnahmslos zwischen 50 und 100% wieder eingestiegen. Die meisten in ihre alten Jobs. Die einzige, die aus Gründen des Ortswechsels nicht in ihren alten Job zurückkonnte, arbeitet nun in einem gering qualifizierten Job. Denn Teilzeit ist als Festanstellung kaum etwas qualifiziertes zu finden. Wie bereits gesagt wurde, ist es einfacher, aus einem Vollzeitjob heraus, zu reduzieren. Andersherum offensichtlich nahezu unmöglich. Diese Freundin ist hoch qualifiziert und hat während ihrer ersten Elternzeit sogar den Master im Fernstudium gemacht. Das interessiert aber bei einer Teilzeitstelle keinen. DAS ist eine Tatsache, die ich schockierend finde. Denn genügend Frauen entscheiden sich ja gerne dafür, nicht zu 100% zu arbeiten, wollen aber dennoch selbstbestimmt sein, indem sie Geld verdienen. Denn aus einer qualifizierten 50% Postition lässt es sich doch viel einfacher wieder in einen Vollzeitjob aufsteigen, sind die Kinder älter, der Partner weg oder auch krank. Aber diese Chance scheint es kaum zu geben. Dann noch von einem Fachkräftemangel zu sprechen, ist schon geradezu absurd. Es gibt unfassbar viele qualifizierte Frauen da draußen, die bereit sind wieder einzusteigen. Und dabei geht es nicht unbedingt um die riesige Karriere in der Chefetage. Sondern um einen anspruchsvollen und erfüllenden Job…halt in Teilzeit.
Ich bin gespannt, wie ich mich dieser Herausforderung im kommenden Jahr stellen werde.
Beste Grüße
Nina
Liebe Nina,
danke für deinen sehr ausführlichen Kommentar.
Natürlich arbeiten heute die meisten Mütter nach der Elternzeit wieder, auch in meinem Umfeld. Bei den meisten ist es wirtschaftlich gar nicht anders möglich. Aber genau in dem was du sagst liegt ja die Krux: Sie fangen fast alle Teilzeit wieder an, oft weil sie es wollen, manchmal aber auch weil Kitazeiten oder andere Umstände es nicht anders erlauben. Und damit kommen sie dann nicht weiter oder sind unzufrieden.
Natürlich muss hier etwas passieren, und natürlich sollte es anders sein. Die Realität ist aber ja: eine Teilzeitstelle als Neuanfang ist kaum zu kriegen, und wenn dann eher in geringqualifizierten Jobs, die eben auch meist nur dürftig bezahlt sind. Wer schon einen Job hat, der geht in aller Regel in Teilzeit. Verständlich, allerdings bedeutet das meist auch, weniger verantwortungsvolle Aufgaben zu bekommen. Aber wieso tun es (fast) immer nur die Frauen?
Gerade in der Situation kein Job nach der Elternzeit würde es doch unglaublich viel Sinn machen, wenn der – ohnehin meist besserverdienende – Mann in Teilzeit geht und die Frau erst einmal wieder voll einsteigt. Dazu sind die meisten Frauen und Männer die ich kenne aber nicht bereit. Warum nicht?
Manchmal glaube ich, dass der deutsche Luxus der bezahlten Elternzeit die “Teilzeitfalle” eher noch verschärft, weil es so schön ist. Die meisten Eltern die ich kenne, die die Elternzeit geteilt haben, sind dann gemeinsam auf lange Fernreise gefahren – anstatt die “Vaterzeit” für den Wiedereinstieg der Frau zu nutzen bzw. dann dem Arbeitgeber entgegen zu kommen und früher wieder einzusteigen. Ohne Frage, so eine Reise ist sicher schön und stärkt den Familienzusammenhalt, aber ich finde es nicht sonderlich weitsichtig, zumindest muss man sich der eventuellen Konsequenzen auch bewusst sein. Viele Väter haben in ihrer Elterzeit sogar ganz frei – weil die meisten Kids (zumindest in Berlin) mit etwa 12 Monaten in die Kita kommen, die klassische Vaterzeit findet aber vom 12. bis 14. Lebensmonat statt. In vielen anderen Ländern kehren Mütter wenige Wochen nach der Geburt zurück in den Job – dort gibt es diese Probleme in der Form nicht, zumal ohnehin mehr Menschen Kinder haben und es viel normaler ist.
Ich sehe hier eine ungünstige Konstellation in Deutschland, einerseits die (tolle!) Elternzeit, die aber das Arbeiten (der Frau) in Teilzeit in meinem Empfinden eher begünstigt und gleichtzeitig in dieser Zeit die Frau sehr stark vom Mann abhängig macht. Wenn sich die Rollenverteilung einmal eingespielt hat, wird sie oft nicht mehr großartig angepasst.
Wäre es nicht ein wunderbares Modell, wenn die Mutter in den ersten sechs Monaten zu Hause bleibt, dann der Vater, von mir aus zwei Monate Überschneidung dazwischen (und dann nur 12 statt 14 Monate Elternzeit) für eine Reise oder die Erfüllung eines Traums, und dann arbeiten BEIDE in Teilzeit – wechseln sich also z.B. mit dem Abholen aus der Krippe ab? Oder – noch besser – gerade bei einem neuen Job: die Frau arbeitet erst einmal Vollzeit und der Mann reduziert, gerade wenn er bereits in seinem Job etabliert ist?
Was hindert uns daran, das zu versuchen? Dass wir keine Karriere in der Chefetage anstreben? Warum eigentlich nicht?
“”Wichtiger als die Debatte über die Länge oder die Aufteilung der Elternzeit, oder darüber mit wie vielen Arbeitsstunden Frauen oder Männer nach der Geburt wieder in den Job einsteigen, finde ich die Frage nach der Autonomie”
DAS ist der Kernpunkt und ich kann ihn nach 25 Jahren Mutterdasein nur unterschreiben. Ich war nie auf eine Rolle beschränkt und konnte mich mit Kind und Familie entfalten. Mann und Sohn haben mich immer unterstützt und bestärkt. Dazu kamen Großeltern, die Engpässe ausglichen. Und ein äußerst verständnisvoller Chef, der mir die Arbeit von zu Hause aus ermöglichte. Heute bin ich selbständig und genieße meine Arbeit mehr denn je!
Liebe Ulli, ja, genau so denke ich auch. Was bringt es mir, wenn ich mehr Zeit mit meinem Kind habe, dafür aber außerhalb von zu Hause total frustriert und unzufrieden bin? Ist mein Kind dann glücklich? Sicher nicht. Es gibt natürlich die, die voll und ganz in der Familie aufgehen, und dieses Modell hat absolut seine Daseinsberechtigung. Mein Modell ist es aber nicht, aus oben aufgeführten Gründen.
Die meisten Frauen die ich kenne finden sich aber in diesem totalen Dilemma wieder: Einerseits IMMER für alles was zu Hause ansteht dasein zu wollen und gleichzeit TOTAL unzufrieden mit ihrem Job seit der Elternzeit, damit, dass sich alte Freundinnen nicht mehr melden und dass keiner sie versteht. Ich denke: entweder etwas flexibler sein und vielleicht auch mal einen eher ungewöhnlichen Weg gehen, oder – wenn man nichts findet – sich selbstständig machen?
Mein Sohn hat gestern seinen Bachelor abgeschlossen und wenn ich sehe, wie er von sich aus weiter lernt, mit Begeisterung seinem Job nachgeht, wie fürsorglich er für seine Freundin und sich selbst sorgt, weiß ich, dass ich nicht alles falsch gemacht haben kann. Ich war neben meiner Berufstätigkeit immer für ihn da, habe heute noch zu jeder Zeit ein offenes Ohr und wir haben all die Jahre über viele spannende Dinge unternommen, von denen wir häufig erzählen. Was immer mir möglich war, habe ich getan.
Aber ich war auch für MICH verantwortlich; dafür, dass es MIR gut geht! Wie soll ich für andere sorgen, wenn ich das nicht für mich selbst tue? Das hat nichts mit Egoismus zu tun, sondern mit Lebenssinn und -erfüllung. Das Foto oben passt perfekt zu dem, was ich meine und erlebt habe. Jede Mutter sollte die Möglichkeit haben, sich selbst treu zu sein und mit (nicht trotz) Kind IHR Ding zu machen!
<3 Weise Worte!
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