Noch ein Jahr.

Und noch ein Jahr. Lange, lange lag dieser Teil meiner Website brach. Manchmal, weil der Alltag so chaotisch war, dass ich das Blog schlicht vergessen habe oder weil einfach die Zeit nicht da war, aufzuschreiben, was so passiert ist. Mit Kind ist aber vieles in meinem Leben auch so intim und privat geworden, dass es hier einfach nicht mehr hingehört. Früher habe ich einfach in den Tag hineingelebt, bin hingefahren wo und wann ich wollte, habe so lange gearbeitet wie ich es schaffte die Augen offen zu halten, und im Anschluss so lange geschlafen bis ich von selbst wieder aufgewacht bin.

 

Lange Zeit habe ich auch gedacht, dass sich das nach der ersten Babyphase von Mini-Me von selbst wieder gibt. Das war allerdings ein Trugschluss. Mein Leben ist ernster und verantwortungsvoller geworden, es gibt schwerwiegende Entscheidungen zu treffen und wenn Dinge schief laufen, dann betrifft das nicht nur mich, sondern noch mindestens zwei andere Menschen. Neben aller Freude, die diese kleine Familie mir bereitet, macht sie mir das erste Mal in meinem Leben – manchmal auch schmerzlich – bewusst, wie fragil dieses Lebenskonstrukt eigentlich ist.

 

Neben vielen tollen Reisen, die ich 2015 machen durfte (unter anderem New York, Turin, zwei Mal Rügen, Bayern, endlich mal wieder Mazedonien, England und am Ende des Jahres sogar noch der wundervolle Libanon!) sind leider auch ein paar Dinge passiert, die nicht so schön waren und über die ich auch hier im Detail nicht berichten möchte.

 

Abgesehen von meiner eigenen kleinen Seifenblase besorgt mich auch das, was ich in den Nachrichten höre, sehe und lese. Als Mutter haben mich die Kindesentführungen in und um Berlin im Sommer und Herbst zutiefst verstört. Als Berlinerin rege ich mich furchtbar über die Zustände am Lageso auf, die dort seit Monaten herrschen. Als Deutsche war ich dieses Jahr manchmal wirklich stolz auf mein Land, oft aber auch zutiefst beschämt. Als Europäerin mache ich mir Sorgen um die Zukunft der Europäischen Union, Terroranschläge, Griechenland, und die Flüchtlingsfrage. Als Weltbürgerin bin ich beunruhigt über die fragile Sicherheitslage, die vielen Kriege, Flugzeugabstürze, die Migrationsströme, die Naturkatastrophen. Noch nie waren mir all diese Umstände so nah, wie sie es heute sind. Durch meine Reisen und meine Arbeit und meine Freunde habe ich in den letzten Jahren viele, viele Menschen und Orte auf der ganzen Welt kennengelernt. Noch nie waren so viele dieser Menschen und Orte direkt oder indirekt vom Weltgeschehen – im Großen und im Kleinen – betroffen.

 

Gleichzeitig lief es für mich als Fotografin noch nie so gut. Ich habe das Gefühl, endlich einen praktikablen Weg gefunden zu haben, ohne mich verbiegen zu müssen mit meiner Arbeit genug Geld zu verdienen und gleichzeitig (zumindest meistens!) genug Zeit für meine Familie und zum Schlafen und manchmal auch einfach nur für mich zu haben. Ich bin sehr, sehr viel effizienter geworden, auch durch Investitionen in neues Equipment und neue Software, aber auch weil ich routinierter bin, mutiger, weniger ängstlich, und mich für meine Arbeit endlich vernünftig bezahlen lasse. Dafür bin ich sehr dankbar.

 

Gleich mehrere Menschen, denen ich sehr nahestand, haben mich dieses Jahr für immer verlassen. Mit vielen dicken Tränen habe ich sie beweint und gleichzeitig aber zumindest eines daraus gelernt, nämlich besser auf mich und meine Lieben und meine Gesundheit, aber genauso auf meine Mitmenschen zu achten und aufzupassen und mir diese Fragilität bei allem Optimismus und bei aller Leichtigkeit, die mich immer ausgemacht haben, täglich bewusst zu machen. Ich hoffe ihr tut es mir gleich. Gestern, im Krankenhaus, wurde mir schmerzlich klar, wie nah Leben und Tod, Freude und Leid beieinander liegen. Auch wenn das für meinen Geschmack viel zu pathetisch klingt, ist es mein Wunsch, das im neuen Jahr zu beherzigen.

 

 

Noch ein Jahr, Mazedonien, Macedonia, Shutka, 2015

 

Das Beste, was ich in diesem Jahr gehört habe?

Serial – immer und immer und immer wieder. Und dann noch einmal, und noch einmal.

 

Das Bewegendste, was ich in diesem Jahr gelesen habe?

Die Reportage “Kehrt um!” auf Zeit Online über Zwiespalt und Moral. Verstörend gut.

 

Das Schönste, was ich in diesem Jahr gesehen habe?

1. Den Blick auf die Schlucht von Kosiak in Mazedonien, von dem mir bis dato auf all meinen Reisen nie jemand erzählt hatte.

2. Den Blutmond im September, der mich die halbe Nacht wachgehalten und völlig fasziniert hat.

3. Meine Heimat im magischen Licht des wärmsten Dezembers meines Lebens.

 

Das Leckerste, was ich in diesem Jahr gegessen habe?

Praktisch alles, was mir die wunderbar hedonistischen Libanesen in Beirut zu Essen gegeben haben. Ich muss unbedingt zurück.

 

Das Bewegendste, das ich dieses Jahr fotografieren durfte?

1. Eine Reportage über die Kleinstadt Tröglitz in Sachsen-Anhalt, deren Eindrücke bis heute in mir nachhallen.

2. Bilder vom Pflegealltag meiner Freundin Mareice Kaiser, einer der stärksten Frauen, die ich kenne.

3. Ibadet, der ich mit Hilfe meiner tollen Freunde (DANKE!) einen neuen Rollstuhl besorgen konnte.

 

Rutscht gut ins neue Jahr und passt bitte gut auf euch auf. Statt Böllern empfehle ich eine sinnvolle Spende an eine Initiative oder Institution eures Vertrauens. Alles Liebe.

 

(Einen bebilderten Jahresrückblick werde ich nachliefern, sobald ich die Zeit dazu finde.)

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